Interview: Atmen – mehr als nur eine Lebensfunktion?
Wer bewusst atmet, führt besser. Davon ist Christoph Glaser überzeugt: In seinem Buch „Atmen. Der Schlüssel zur erfolgreichen und gesunden Führung“ zeigt der erfahrene Leadership-Trainer, wie eng innere Ruhe, emotionale Intelligenz und erfolgreiche Führung miteinander verbunden sind – und wie Menschen mit einfachen Atemtechniken ihre Präsenz, Klarheit und Resilienz stärken können. Im Interview mit den ULA Nachrichten erklärt Glaser, warum gerade Führungskräfte von atembasierter Achtsamkeit profitieren – und wie sich das im anspruchsvollen Führungsalltag praktisch umsetzen lässt.
ULA Nachrichten: Atmen als Schlüssel zu erfolgreicher Führung – das klingt zunächst überraschend. Wo genau liegt aus Ihrer Sicht die Verbindung zwischen Atmen und Leadership?
Glaser: Gute Führung beginnt mit guter Selbstführung. Wer sich selbst nicht regulieren kann, kann schwer Orientierung geben, empathisch reagieren oder Konflikte konstruktiv lösen. Der Atem ist dabei ein oft unterschätzter Schlüssel: Er beeinflusst unsere Gedanken, Emotionen und körperlichen Reaktionen – und umgekehrt. Ein ruhiger Atem wirkt wie ein innerer Anker. Studien zeigen: 90 Prozent der Top-Performer verfügen über eine hohe emotionale Intelligenz. Und die lässt sich über den Atem trainieren.
Was genau versteht man unter „atembasierter Achtsamkeit“ und wie kann sie Führungskräften ganz konkret im Alltag helfen?
Achtsamkeit bedeutet: präsent sein im Hier und Jetzt. Doch im hektischen Alltag fällt uns das oft schwer. Der Atem ist hier eine Brücke zwischen äußerer Aktivität und innerer Ruhe. Wenn ich meine Atmung bewusst lenke, beruhigt sich das autonome Nervensystem, Stress wird reduziert, die Gedanken werden klarer. Atembasierte Achtsamkeit ist somit ein unmittelbares Werkzeug für mentale Stabilität und Führungsstärke. Genau in dieser Balance zwischen Dynamik und innerer Ruhe kommen wir dem Flow-Zustand näher – und sind, wie eine McKinsey-Studie zeigt, bis zu fünfmal produktiver.
Viele Führungskräfte stehen unter hohem Zeitdruck. Wie viel Zeit braucht es, um mit Atemübungen spürbare Veränderungen zu erzielen?
Jeder einzelne Atemzug wirkt! Schon das Beobachten der Atmung verändert unsere innere Haltung und sogar die Gehirnaktivität. Wer täglich zwölf Minuten übt – etwa mit der „Zwölf-Minuten-Methode“ – kann seine Resilienz und Präsenz nachhaltig steigern. Nach rund 21 Tagen bilden sich neue neuronale Muster – und mit ihnen neue Gewohnheiten.
Sie sprechen auch von der Triple-A-Methode. Was steckt hinter diesem Ansatz und wie lässt er sich in der Führungspraxis anwenden?
Roger Federer sagte einmal: Unser langfristiger Erfolg entscheidet sich nicht an unseren besten, sondern an unseren schwierigsten Tagen. Meiner Erfahrung nach gilt das nicht nur im Sport. Entscheidend ist, auf welches Level wir fallen, wenn wir in Konflikte geraten, unter Stress stehen oder emotional getriggert sind.
Triple-A steht für Achtsamkeit – Akzeptanz – Aktion. Erstens: Ich nehme bewusst wahr, was gerade in mir geschieht. Zweitens: Ich lasse zu, was ist, statt dagegen anzukämpfen. Und drittens: Ich handle, zum Beispiel mit einer Atemtechnik oder einer bewussten Pause. Das hilft, selbst in herausfordernden Situationen die beste Version von uns selbst zu bleiben.

Carmen Wong Fisch
Jürgen Mai