Kongress „Beruf, Familie, Männer!“ -Harte Politik statt Gedöns

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Um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Karriere langfristig zu verbessern, müssen auch die Väter mit ins Boot geholt werden. Wie das gelingen kann? Jede Menge nützlicher Anregungen gab es Anfang Dezember 2015 auf dem Kongress „Beruf, Familie, Männer!“ in der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main. Aber bei der Umsetzung der Lösungsvorschläge kommt es auf die Unternehmen vor Ort an. Hier können Vorgesetzte und Beschäftigte gleichermaßen lernen, ihre Gestaltungsmöglichkeiten besser zu nutzen.

Wie können zukünftige Arbeitszeit- und Karrieremodelle aussehen, um eine möglichst partnerschaftliche Aufgabenaufteilung von Müttern und Vätern zu ermöglichen? Indem man mit Väterkompetenzen in Führung geht: hin zu zielorientierter Führung – weg von der Präsenzkultur. Dies war einer der vorgeschlagenen Lösungswege auf dem Kongress „Beruf, Familie, Männer!“ am 7. Dezember 2015 in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt am Main. Veranstalter des zehnten Kongresses im Rahmen der Reihe „Dialog Beruf & Familie in Hessen“ waren neben der IHK das Hessische Ministerium für Soziales und Integration, die „hessenstiftung – familie hat zukunft“, das Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ und das Demografienetzwerk FrankfurtRheinMain.

Unter den rund 130 Teilnehmern aus Unternehmen, Politik und Verbänden bestand Konsens über die Forderung, dass sich eine familienfreundliche Personalpolitik in den Unternehmen viel stärker als bisher auch der Väter annehmen müsse. „Laut aktuellem Väterbarometer vom Unternehmensprogramm Erfolgsfaktor Familie bieten vier von fünf Arbeitgebern auch Teilzeit an – für beide Elternteile“, hob der Geschäftsführer der IHK Frankfurt am Main Dr. Ralf Geruschkat hervor. Bei jedem zweiten Arbeitgeber sei zudem mobiles Arbeiten möglich. Für den IHK-Geschäftsführer ist das Thema Vereinbarkeit für Väter „kein Gedöns, sondern harte Politik“.

Auch wirtschaftlich zahlt sich ein familiengerechtes Arbeitsleben aus. Denn der Arbeitszeitgewinn durch eine höhere Erwerbstätigkeit der Frauen kompensiert makroökonomische Verluste durch die Arbeitszeitreduktion der Väter um ein Vielfaches. So forderte Abteilungsleiterin Familie im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration Cornelia Lange: „Die Arbeitsbedingungen für Mütter wie Väter müssen so ausgestaltet werden, dass beide ökonomisch unabhängig sind, sich in der Arbeit entfalten können und Zeit für ihre Familie haben.“

In seiner Keynote beschrieb der Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Dr. Martin Bujard den Einstellungswandel junger Mütter und Väter, der zu einem enormen Anstieg der Berufstätigkeit von Müttern und der Elternzeitbeteiligung von Vätern in den letzten zehn Jahren geführt hat. Die Statistik belegt diese Aussage: Dem Statistischen Bundesamt zufolge liegt die Väterbeteiligung in Deutschland mittlerweile bei 32,3 Prozent. Allerdings beträgt diese Quote in Schweden, Finnland und Norwegen im Schnitt 85 Prozent, stellte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits 2010 in einer bei der Prognos AG in Auftrag gegebenen Studie zu wohlfahrtsstaatlichen Einflussfaktoren auf die Geburtenrate in europäischen Ländern fest. Die Diskrepanz erklärt sich nicht zuletzt im nach wie vor drängenden Problem der Kinderbetreuungssituation in Deutschland, vor allem in den westdeutschen Bundesländern.

Wie sehen die Perspektiven einer väterbewussten Politik für Unternehmen aus? Dazu machte Martin Bujard eine klare Ansage: „Weniger Bürokratie, dafür mehr Kommunikation.“ Denn die doppelte Teilhabe in Beruf und Familie sei nicht nur ein nettes Beiwerk, sondern böte den Unternehmen handfeste Vorteile. Väterfreundliche Personalpolitik ist laut Bujard ein strategisches Instrument für die Anwerbung und Bindung von Mitarbeitern. „Wichtig ist, dass in Unternehmen auch deutlich kommuniziert wird, dass Elternzeit für Väter unterstützt wird.“ Auch sei die Anwesenheitskultur bis in die Abendstunden im digitalen Zeitalter oft nicht mehr zeitgemäß.

Um Führungskräfte für die Situation der Väter zu mobilisieren, müssen nach Ansicht von IHK-Geschäftsführer Ralf Geruschkat noch ganz dicke Bretter gebohrt werden: „Wir müssen sensibilisieren, sensibilisieren, sensibilisieren!“ Erst wenn der Schmerz groß genug sei, werden Unternehmen auch kreative Lösungen anbieten. Aber Väter sollten ihrerseits ebenfalls aktiver werden. „Männer müssen für ihre Wünsche nach Familienzeit auch klar eintreten“, meinte Dr. Ulrich Kuther, Geschäftsführer der „hessenstiftung – familie hat zukunft“. Teilzeit für Männer sei leider vielerorts nur ein zartes Pflänzchen. Aber auf Dauer müsse die Vereinbarkeitsfrage auch für Männer erschlossen werden: „Ohne Väter geht es nicht.“

Am 1. März 2016 wird die „hessenstiftung – familie hat zukunft“ ein neues, webbasiertes Diskussionsformat durchführen. Beim kostenfreien Onlineerfahrungsaustausch können sich die Teilnehmer unternehmensübergreifend und anonym austauschen – jenseits von Funktion und Hierarchie. Weitere Informationen unter online-erfahrungsaustausch.hessenstiftung.de.

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