Betriebsrenten vor ungewisser Zukunft

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Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz tritt am 1. Januar 2018 die umfangreichste Reform in diesem Bereich seit vielen Jahren in Kraft. Auch die Betriebsrenten von Führungskräften sind von ihr betroffen, vor allem bei der steuerlichen Förderung.

Durch die Reform wird es möglich, über „Öffnungsklauseln“ in Tarifverträgen von zahlreichen gesetzlichen Vorschriften im Betriebsrentenrecht abzuweichen. Erstmals zugelassen wird bei Betriebsrenten die „reine Beitragszusage“. Sie verpflichtet die Arbeitgeber lediglich zur Zahlung von Beiträgen in einer bestimmten Höhe. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Zahlungsausfall eines Versorgungsträgers entfällt, ebenso die Anpassungsprüfungspflichten für laufende Renten. Garantierte Leistungen im Alter sind im Rahmen der reinen Beitragszusage sogar explizit verboten, um eine renditeorientiertere Kapitalanlage sicherzustellen („Zielrente“).

Nutzung der reinen Beitragszusage durch Sozialpartner schwer prognostizierbar

Die großen Gewerkschaften haben diese Reform befürwortet. Seither halten sie sich aber bedeckt, was ihre Absichten angeht, derartige Tarifverträge in nächster Zeit tatsächlich abzuschließen. Traditionell scheuen viele deutsche Kapitalanleger Risiken. Ein Tarifvertrag über eine „garantielose“ Altersversorgung würde also erst Recht einen hohen Begründungs- und Überzeugungsaufwand nach sich ziehen. Sollten derartige Tarifverträge tatsächlich abgeschlossen werden, könnte ihr Geltungsbereich auch Führungskräfte umfassen, allerdings nur für Versorgungszusagen in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds.

Indirekte Auswirkungen auf Führungskräfte durch „Vernachlässigung“ der Direktzusage

Dies könnte indirekte negative Effekte für Führungskräfte haben. Sie benötigen für eine ausreichende Versorgung im Alter auch Direktzusagen oder Unterstützungskassen. Nur diese Durchführungswege ermöglichen steuerfreie Dotierungen ohne Obergrenze, etwa durch eine Umwandlung von Sonderund Bonuszahlungen in Versorgungsansprüche. Die Direktzusage wurde mit der Reform aber in doppelter Weise benachteiligt. Sie wurde von der „reinen Beitragszusage“ ausgeschlossen und dadurch für Arbeitgeber unattraktiver. Außerdem wurde die – auch von der ULA unterstützte – Forderung nach einer steuerlichen Entlastung nicht erfüllt. Die unrealistisch hohen Zinsannahmen im Steuerrecht bleiben unverändert. Vom Arbeitgeber aufgrund handelsrechtlicher Verpflichtungen bei der Bildung von Pensionsrückstellungen getätigte Aufwendungen werden weiterhin nicht in voller Höhe anerkannt.

Viele begrüßenwerte Einzelmaßnahmen

Abgesehen von dieser grundsätzlichen Kritik enthält das Reformpaket eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die jeweils für sich betrachtet überzeugen und auch einen Beitrag leisten können, Anreize für Arbeitgeber zur Erteilung von Versorgungszusagen zu erhöhen oder für Arbeitnehmer, auf Entgelt zu verzichten.

Hier seien beispielhaft genannt:

  • Arbeitgeber sind künftig verpflichtet, bei allen Formen der Entgeltumwandlung (also nicht nur im Rahmen des Sozialpartnermodells)  einen Zuschuss in Höhe von 15 Prozent der umgewandelten Summe zu zahlen, soweit aus der Entgeltumwandlung eine Ersparnis bei den Sozialversicherungsabgaben resultiert. Die in letzter Minute geänderte Gesetzesformulierung enthält leider Unschärfen. Unklar ist, inwieweit Arbeitgeber bereits heute gezahlte Zuschüsse zu einer ansonsten arbeitnehmerfinanzierten Altersversorgung auf die neue Verpflichtung anrechnen dürfen. Hier hilft eine Übergangsregelung: für bereits bestehende Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung wird die neue Verpflichtung des Arbeitgebers erst im Jahr 2022 voll wirksam. Auslegungsbedürftig ist auch die Verwendung des Wortes „soweit“ in Bezug auf die (politisch gewollte) Weitergabe eines Teils der Beitragsersparnis, die aus einer Entgeltumwandlung auch für die Arbeitgeber resultiert. Die ULA geht derzeit davon aus, dass Führungskräfte im Regelfall keinen Anspruch auf den Zuschuss haben. Dies gilt immer dann, wenn sie Entgeltumwandlung aus Gehalt oberhalb der Bemessungsgrenze praktizieren, da keine Beitragsersparnis für den Arbeitgeber anfällt. Lediglich im Bereich zwischen den Bemessungsgrenzen der Kranken- und Pflegeversicherung (2018: bundesweit 4.425 Euro pro Monat) und der Rentenversicherung (2018: 6.500 Euro in den alten und 5.800 Euro in den neuen Bundesländern) besteht Aussicht auf einen anteilig geminderten Zuschuss.
  • Das so genannte „Opting-Out-Modell“ wurde hingegen zwar eingeführt, bleibt als Regelungsoption nur den Tarifvertragsparteien vorbehalten. Arbeitgeber dürfen dabei alle Arbeitnehmer in eine durch Entgeltumwandlung finanzierte Form der Altersversorgung einbeziehen, es sei denn diese widersprechen. Die ULA hatte bereits im Vorfeld der Reform solche Modelle als sinnvoll erachtet, allerdings nicht mit der hohen Hürde einer Einführung durch einen Tarifvertrag.
  • Ein weiteres pychologisches Hindernis, die hohen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für gesetzlich Versicherte Rentner, wurde nur teilweise beseitigt. Künftig sind riester-geförderte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beitragsfrei. Aus Sicht der ULA ist damit der Mehrzahl der Betroffenen nicht gedient. Bis heute spielt diese Fördervariante im Bereich der betrieblichen Altersversorgung nur eine untergeordnete Bedeutung, insbesondere bei Führungskräften. Für alle weiteren Formen der Betriebsrenten bleibt es bei der hohen Belastung der Altersleistungen mit den vollen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, also bei einem Abschlag in Höhe von mindestens 18 Prozent. Die Reform könnte aber einen langfristigen Struktureffekt haben. Tarifvertragsparteien, sofern sie die Sozialpartner-Rente in der von der Regierung gewünschten Weise nutzen, könnten sich zukünftig verstärkt der Riester-Förderung zuwenden. Diese ist in der Ausgestaltung als Betriebsrente nämlich auch mit den Prinzipien der “Zielrente” vereinbar und kann – anders als bei zertifzierten privaten Riester-Produkten – ohne Garantien ausgestaltet werden.
  • Auch die Höhe der Riester-Förderung wurde weiter verbessert: die Grundzulage steigt von 154 Euro auf 175 Euro pro Jahr Die Kinderzulage bleibt unverändert. Sie wurde zuletzt ab 1.1.2008 für ab diesem Datum geborene Kinder von 185 Euro auf 300 Euro pro Jahr erhöht.
  • Für Geringverdiener (im Gesetz definiert als Personen mit einem Bruttoeinkommen von weniger als 2.200 Euro pro Monat) wird eine neue Förderung für Arbeitgeber eingeführt. Zahlt der Arbeitnehmer eines Geringsverdieners einen Altersvorsorgebeitrag von wenigstens 240 Euro, so erhält er darauf einen Zuschuss in Höhe von 30 Prozent, der mit der zu zahlenden Lohnsteuer verrechnet werden kann. Auch dieses Angebot gilt auch außerhalb von „Sozialpartnermodellen“, das heißt es kann ohne Tarifvertrag durch nichttarifgebundene Arbeitgeber genutzt werden.
  • Ein weiterer Anreiz, der auf Geringverdiener selbst zielt, wurde mit einer Freibetragsregelung im Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gesetzt. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, ebenso wie Zahlungen aus Riester-Renten und anderen Formen der geförderten privaten Altersvorsorge (z.B. Basis- bzw. Rürup-Renten) sollen in Höhe von bis zu 200 Euro nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angerechnet werden. Der Freibetrag soll ein (Umfragen zufolge bis hinein in mittlere Einkommensschichten) psychologisches Hindernis bewirken. Viele Versicherte verzichten derzeit offenbar auf eine ergänzende Altersvorsorge, da sie befürchten, im Alter ohnehin auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen zu sein. Tatsächlich honorieren die strengen Anrechnungsregelungen in ihrer heutigen Form die Vorsorgebereitschaft in jüngeren Jahren nur unzureichend.

Fazit: Gefahr für bestehende Systeme?

Mit der Reform wollte die Große Koalition die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung erhöhen. Mehr Anreize und weniger rechtliche Verpflichtungen im Niedriglohnbereich sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen waren dafür ihr Ansatz. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist aus Sicht der ULA ungewiss. Sie sieht hingegen die reale Gefahr, dass die Reform eine weitreichende Umgestaltung bereits bestehender Betriebsrentensysteme bewirken könnte, häufig zulasten der Arbeitnehmer. Die kommenden fünf Jahre werden zeigen, welcher Effekt stärker ist. Bis 2023 sollen Wirkungen der Reform fortlaufend evaluiert und erst dann über eventuell noch weiter reichende Reformen entschieden werden.