Wer wird gewinnen?

Kommentar des ULA-Präsidenten Dr. Roland Leroux

 Erinnern Sie sich noch an die Bundestagswahl 1998? Helmut Kohl gegen Gerhard Schröder? Nach sechzehn Jahren im Amt erschien die schwarz-gelbe Koalition verbraucht und in manchen Bereichen rückständig. Sie wurde abgewählt.

Erneut fordert ein Sozialdemokrat eine langjährige christdemokratische Regierungschefin heraus. Doch eine echte Wechselstimmung scheint, abgesehen von dem kurzen Schulz-Hype im Frühling, bisher nicht aufzukommen.

Woran liegt das? Ist es die gute wirtschaftliche Lage oder wollen die Menschen in unsicheren Zeiten jemandem im Kanzleramt haben, der Ruhe und Stabilität ausstrahlt?

Das mag sein, doch diese Gründe alleine dürften nicht ausschlaggebend sein. Auch die SPD hat einen politischen Anteil am aktuellen wirtschaftlichen Erfolg. Die wiedererstarkte und rührige FDP und die Grünen haben ebenfalls klare Positionen bezogen und werden, ganz wie die Linke wahrscheinlich in den Bundestag einziehen.

Vielleicht liegt der tiefere Grund für den Erfolg von Angela Merkel in dem Modernisierungskurs, den sie ihrer eigenen Partei seit 2005 zugemutet hat. Parteiinterne Kritiker sprechen von der Sozialdemokratisierung der Union. Zuletzt hat sie die letzte rote Linie für Wertkonservative, die Öffnung der Ehe für Homosexuelle, überschritten.

Die Union tritt heute für die Integration von Migranten, sogar für ein Einwanderungsgesetz ein. Sie hat Kitas und Ganztagsschulen ausgebaut, den Mindestlohn mitgetragen und Frauenquoten in Aufsichtsräten zugestimmt. Sie hat den Ausstieg aus der Atomenergie, und aus der Braunkohle beschlossen und ist für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Auch das Wahlprogramm schärft kaum das eigenständige Profil der Unionsparteien. Nicht einmal zu der großen historischen Chance, gemeinsam mit Frankreich in Europa notwendige Fortschritte zu erzielen, findet man konkrete Aussagen. Während die Führungskräfte in Deutschland bereit sind, das aktuelle Zeitfenster für Reformen zu nutzen, hört man von Merkel dazu erstaunlich wenig. Jedenfalls nicht vor der Wahl.

Ist die Wahl damit schon gelaufen? Nein. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten oder der Brexit haben deutlich gemacht, wie schnell sich der Wind kurz vor Wahlen noch drehen kann.

Viel wird in diesem Sinne von der Flüchtlingspolitik abhängen. 2015 hat sich Angela Merkel mit der Öffnung der Grenzen bei  Rot-Grün unangreifbar gemacht. Erst als die Umfragewerte sanken, vollzog Merkel still und leise eine Kehrtwende: Grenzkontrollen wurden verstärkt, das Türkei-Abkommen abgeschlossen und konsequenter abgeschoben. Trotzdem war und ist die Flüchtlingskrise weiter ungelöst. Sie ist eine Jahrhundertaufgabe. Hier setzt Martin Schulz nun an. Zwar haben er und seine Partei die bisherige Politik mitgetragen. Doch wird sich in den letzten Wochen zeigen, ob das Thema genug Streitpotenzial hat, um in seinem Sinne für eine Wende zu sorgen.