Pro & Contra: GWB-Novelle – Schutz für Verbraucher oder Blankoscheck fürs Kartellamt?

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Für das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) plant die Bundesregierung weitreichende Änderungen. Mit der 11. GWB-Novelle soll das Bundeskartellamt neue Eingriffs- und Kontrollrechte erhalten. Wettbewerbsschädigendes Verhalten von Unternehmen müsste nicht mehr nachgewiesen werden. Würden dem Amt mit der Neuerung zu viele Möglichkeiten der Marktgestaltung eingeräumt? Dazu hat die ULA zwei Köpfe aus der Politik um ihre Einschätzung gebeten.

Dr. Sandra Detzer MdB ist Wirtschaftspolitische Sprecherin der Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion.
Foto: Stefan Kaminski

Mit der 11. GWB-Novelle stärken wir den fairen Wettbewerb in Deutschland. Fairer Wettbewerb nutzt allen: kleinen, mittleren und großen Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbrauchern. Nur, wenn Wettbewerb fair ist, kann die Marktwirtschaft ihre Stärke entfalten und für dynamische Märkte, angemessene Preise, mehr Innovation und bessere Qualität sorgen. Konzentriert sich Marktmacht auf wenige oder – im schlimmsten Fall eines Monopols – nur noch auf ein einzelnes Unternehmen, können Märkte nicht mehr funktionieren. Diese Konzentrationsprozesse werden durch die Digitalisierung begünstigt. Steigende Unternehmenskonzentration in hoch konzentrierten Dienstleistungsbranchen, die steigenden Preisaufschläge von Großunternehmen oder der hohe Verflechtungsgrad von Unternehmen über Beteiligungen institutioneller Anteilseigner sind Problemanzeigen auf Märkten, die derzeit noch nicht ausreichend adressiert werden können. Mit der GWB-Novelle gibt es nun ein starkes Instrument gegen diese Zentralisierungstendenzen: die Sektoruntersuchungen. Wo auf Märkten erhebliche, dauerhafte oder wiederholte Störungen des Wettbewerbs auftreten – und nur dann! -, kann das Bundeskartellamt den betroffenen Unternehmen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art anordnen, die zur Beseitigung oder Verringerung der Störung des Wettbewerbs erforderlich sind. Wird das Kartellamt nun also Märkte designen? Definitiv nein. Wenn die Novelle erfolgreich ist, schafft sie es, unfaire Wettbewerbspraktiken zurückzudrängen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Hansjörg Durz MdB ist Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Wirtschaftsausschuss.
Foto: Daniel Biskup

Ludwig Erhard hat die Funktionsweise der Sozialen Marktwirtschaft gern mit einer Fußball-Metapher erklärt: Die Regeln für die Kontrahenten müssten im Vorhinein feststehen – und der Staat solle die Rolle des Schiedsrichters einnehmen. Und dann möge der Bessere gewinnen. Dieses Rezept genügte, um den Widerstand der Industrie zu brechen und die Entdeckungskräfte des Marktes freizusetzen. Es folgte ein Wirtschaftswunder, das dem Versprechen vom „Wohlstand für alle“ sehr nahekam. Obwohl die Marktkonzentration in Deutschland im Gegensatz zu den USA nachweislich nicht ansteigt, will die Bundesregierung die Rezeptur in einem entscheidenden Punkt ändern: Der Staat soll künftig nicht mehr bloß Schiedsrichter sein – sondern Spielmacher! Konnten die Unternehmen bisher sicher sein, dass sie ohne einen Rechtsverstoß auch keine Eingriffe der Wettbewerbsbehörden fürchten mussten, soll das künftig nicht mehr gelten. Das Bundeskartellamt kann künftig weitreichende Maßnahmen anordnen, sobald es eine nicht weiter definierte Störung des Wettbewerbs ausmacht. Eine Kontrollinstanz dieses gewaltigen Machtzuwachses des Staates sucht man vergebens – Blankoscheck statt checks and balances, Staatsdirigismus statt Marktvertrauen. Das heißt nicht, dass es keinen Handlungsbedarf gäbe. So stehen die Behörden bei Oligopolen dem Parallelverhalten von Unternehmen hilflos gegenüber – erst recht, wenn Preissetzung durch Algorithmen betrieben wird. Aufgabe der Bundesregierung wäre es gewesen, zielgerichtete Mittel vorzuschlagen, die Maß und Mitte kennen.