Pro & Contra: Schuldenbremse – Stabilitätsanker oder Wachstumsbremse

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Gemäß der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse sind die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2023 entschieden: Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 und damit die Umwidmung von 60 Milliarden Euro bestehender Kreditermächtigungen zugunsten des Klima- und Transformationsfonds durch die Ampel ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig. Das Urteil war Auslöser einer Haushaltskrise und einer breiten Debatte. Hierzu haben die ULA Nachrichten zwei führende Köpfe aus der Politik um ihre Einschätzung gebeten.

 

Gitta Connemann ist Bundesvorsitzender Mittelstand- und Wirtschaftsunion (MIT) und Mitglied des Deutschen Bundestages
Foto: MIT

Die Schuldenbremse ist ein Stabilitätsanker für unser Land. Erstens schafft sie Generationengerechtigkeit: Die heutigen Herausforderungen dürfen nicht auf dem Rücken der kommenden Generation bewältigt werden. Zweitens ist sie eine Ausgabenbremse, die Anreize für Reformen und Strukturveränderungen schafft und zu Priorisierungen zwingt. Die Schuldenbremse sorgt dafür, dass die Politik mit dem auskommen muss, was sie hat: prognostizierte Steuereinnahmen von 962 Milliarden Euro im Jahr 2024. Damit schafft die Schuldenbremse drittens Spielräume: Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums wird der Kapitaldienst des Bundes bald 40 Milliarden Euro betragen. Weitere Verschuldung schränkt daher künftige Spielräume ein. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. November 2023 der Auslegung der Schuldenbremse zu Recht enge Grenzen gesetzt. Die Bundesregierung sollte dieses Urteil ernst nehmen, anstatt Notlagen nach Kassenlage auszurufen. Auch der Vorschlag, die Schuldenbremse zu reformieren, um kreditfinanzierte Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen, ist hoch problematisch. Denn dann wäre die Versuchung groß, dass die Politik den Kernhaushalt für noch mehr konsumtive Ausgaben nutzen und die Investitionen auf Pump finanzieren würde. Dies würde die Schuldenbremse ad absurdum führen. Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen. Nun ist es Aufgabe der Politik, für nachhaltiges Haushalten, Haushaltstransparenz, Priorisierungen und für einen effizienten Einsatz der zur Verfügung stehenden Steuereinnahmen zu sorgen.

 

Michael Schrodi ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Foto: phototek

Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form entspricht nicht den Anforderungen einer modernen Haushaltspolitik. Ihre starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen. Unser Land steht vor großen Herausforderungen. Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind nach wie vor spürbar. Wir müssen die digitale und industrielle Transformation bewältigen. Eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik darauf zu reduzieren, nachfolgenden Generationen keine Schulden zu hinterlassen, greift zu kurz. Investitionen zum Wohle auch zukünftiger Generationen können sehr wohl zu einem erheblichen Anteil über Kredite finanziert werden. Die Finanzierungslast trägt damit nicht allein die heutige Generation, sondern wird auch auf die künftig von den Investitionen profitierenden Generationen verteilt. Die Schuldenbremse eröffnet nicht genug Spielräume für Zukunftsinvestitionen. Sie sieht keine Übergangsregelung für die zulässige Verschuldung nach einer Notlage vor. Die Verschuldungsspielräume in Normalzeiten sind zu knapp bemessen. Außerdem werden Konjunkturschwankungen nicht ausreichend berücksichtigt. Die SPD will deshalb mit einer Reform der Schuldenbremse den Rahmen für eine zukunftsorientiere Haushalts- und Finanzpolitik schaffen. Eine verantwortliche Haushaltsführung in der Gegenwart wollen wir mit einer generationenübergreifenden solidarischen Finanzierung großer Zukunftsaufgaben verbinden. Eine solche Reform erfordert einen umfassenden Dialog mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft.