Gastbeitrag: Warum ein starker Luftverkehr kein Selbstzweck ist – von Dr. Joachim Lang
Von Dr. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)
Deutschland ist als exportstarke Volkswirtschaft wie kaum ein anderes Land auf einen leistungsfähigen Luftverkehr angewiesen. Eng getaktete globale Lieferketten, internationale Investitionen und die Vernetzung unserer Unternehmen mit ihren Standorten und Märkten in Europa und der ganzen Welt stehen und fallen mit einer verlässlichen Anbindung. Der Luftverkehr ist damit ein unverzichtbarer Bestandteil unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Doch seit Jahren gerät unser Standort unter Druck. Staatliche Kosten – Luftverkehrsteuer sowie Gebühren für Flugsicherung und die Sicherheitskontrolle – haben sich seit 2019 mehr als verdoppelt. Während andere europäische Länder systematisch den Luftverkehr als Bestandteil ihrer Infrastruktur fördern und damit ihre Wettbewerbsposition stärken, hinkt Deutschland hinterher: Im aktuellen Winterflugplan erreicht das Angebot an den deutschen Flughäfen nur 87 Prozent des Niveaus von 2019.
Wir bekommen in Deutschland nichts davon mit, dass der Luftverkehr im restlichen Europa boomt. Die Nachfrage nach Flügen ist so groß wie nie zuvor. In unseren europäischen Nachbarländern
steigt das Angebot in den kommenden Monaten auf 113 Prozent des Vor-Corona-Wertes. Nur um Deutschland – obwohl in der Mitte Europas gelegen – machen die Airlines wegen überhoher Steuern und Gebühren einen großen Bogen.
Auch bei Luftfracht, für die Exportwirtschaft von strategischer Bedeutung, droht Deutschland den Anschluss zu verlieren. Gemessen am Warenwert erfolgt ein Viertel der deutschen Exporte in Länder außerhalb der EU per Luftfracht. Überbordende Bürokratie ist der Grund, warum immer mehr Sendungen von und nach Deutschland an Flughäfen im benachbarten Ausland verladen werden und damit Wertschöpfung verloren geht.
Umso wichtiger ist das Signal, das die Bundesregierung unlängst gesendet hat. Bei der Aufstellung des Haushalts 2026 hat sie erste Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag eingelöst und die Rücknahme der Luftverkehrsteuererhöhung von 2024 beschlossen. Das ist ein guter und notwendiger Schritt, um die dramatische Kostenspirale zu stoppen. Airlines, die aus wirtschaftlichen Gründen weitere Streckenstreichungen geplant hatten, rechnen jetzt noch einmal neu.
Auch für die Luftfracht wurden wichtige Weichen gestellt: Die Prozessoptimierungen und die konsequente Digitalisierung der beteiligten Behörden sind entscheidend, um Lieferketten zu
stabilisieren und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportwirtschaft zu sichern. Schnelle, verlässliche und digital unterstützte Abläufe sind längst ein Standortfaktor – und Deutschland macht sich endlich auf den Weg, Anschluss zu halten.
Trotz der positiven Signale bleibt klar: Ein erster Schritt reicht nicht aus. Wenn Deutschland am Wachstum des europäischen Luftverkehrs teilhaben will, braucht es weitere Reformen. Dazu gehören wettbewerbsfähige Kostenstrukturen, effiziente Behördenprozesse und Klimaschutzvorgaben, die nicht einseitig unsere einheimische Wirtschaft belasten.
Ein starker Luftverkehr ist kein Selbstzweck. Von jeder Verbesserung der Standortbedingungen profitieren nicht nur die Luftverkehrsunternehmen selbst, sondern im gleichen Maß auch
verbundene Branchen wie die Logistik sowie die Messe- und Tourismuswirtschaft. Ein starker Luftverkehr ist die Voraussetzung dafür, dass unsere Unternehmen auch morgen erfolgreich in
Europa und der Welt agieren können – und dass Deutschland ein leistungsfähiger, attraktiver und zukunftssicherer Wirtschaftsstandort bleibt.



