Umfrage unter Führungskräften: Europa Schlüsselthema im Bundestagswahlkampf

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Europa ist eines der wichtigsten Themen für Führungskräfte im beginnenden Bundestagswahlkampf. Laut den Ergebnissen der aktuellen Umfrage unter den Mitgliedern des Manager-Monitor-Panels gehört vor allem die Stärkung des innereuropäischen Zusammenhalts zu den herausragenden Prioritäten für die nächste Legislaturperiode.

Die Umfrage zeichnet ein aufschlussreiches Bild von der Stimmungslage der Führungskräfte zu Beginn des Wahlkampfes. Mit der ersten Frage wurde eine Bewertung der Arbeit der Großen Koalition in den letzten vier Jahren erbeten. Das Endzeugnis fällt mit 3,3 eher durchwachsen aus.

Vorrang für Investitionen

Ein Weg zu mehr Zustimmung könnte laut den Umfrageergebnissen über mehr staatliche Investitionen führen. In einer Frage über die Prioritäten einer neu gewählten Regierung beurteilen 93 Prozent der Befragten mehr Geld für das Bildungswesen und 86 Prozent mehr Ausgaben für die Infrastruktur als „sehr wichtig“ oder „wichtig“.

Zu möglichen Steuer- und Abgabensenkungen, die zu mehr Investitionen tendenziell in einem Zielkonflikt stehen, ist das Meinungsbild differenziert: 73 Prozent halten eine Entlastung von mittleren und geringen Einkommen für wichtig, aber nur 49 Prozent eine Entlastung aller Einkünfte. Immerhin 44 Prozent sind der Auffassung, dass Verteilungsfragen wie Vermögens-, und Einkommensverteilung stärker thematisiert werden müssten. Führungskräfte sind also offenbar teilweise bereit, von eigenen finanziellen Interessen abzusehen und „das große Ganze“ im Blick zu behalten.

Mehr Gestaltungsfreiheit bei Arbeitszeit und Arbeitsort

Im Bereich Arbeitsrecht würde die Fortsetzung eines der zentralen Reformprojekte der Großen Koalition auf breite Zustimmung stoßen, nämlich die Anpassung des Arbeits- und Sozialrechts an flexiblere Erwerbsverläufe, wie sie im Konzept „Arbeiten 4.0“ vorgeschlagen werden. 70 Prozent halten dies für wichtig. Diese generelle Zustimmung schließt auch die meisten der zur Bewertung gestellten möglichen Einzelmaßnahmen ein. So stimmen 80 Prozent größeren Spielräumen für eine Anpassung der Arbeitszeit an die aktuelle Lebenssituation zu. 75 Prozent wollen mehr Bestimmungsrechte über den Arbeitsort, wie etwa Arbeiten aus dem Homeoffice und 70 Prozent mehr Flexibilität bei der Verteilung der Arbeitszeit über eine Arbeitswoche. Politische Forderungen zu diesen Aspekten haben nahezu alle Parteien in ihren Programmen. Unterschiede betreffen die Details wie die Reichweite und die Durchsetzbarkeit von Rechtsansprüchen der Arbeitnehmer, den Schutz der Dispositionsrechte des Arbeitgebers und den Umfang nicht verhandelbarer, abschließend gesetzlich geregelter Vorschriften.

Kalte Progression abschaffen

In der Steuerpolitik finden die Forderungen nach einer Abschaffung der kalten Progression und des Solidaritätszuschlags mit 87 beziehungsweise 74 Prozent breite Zustimmung.

Niedriger, aber über 50 Prozent, liegen die Zustimmungswerte zu möglichen „Fernzielen“ im Bereich der sozialen Sicherung. Dies betrifft sowohl eine Absicherung aller Erwerbstätiger in einem einzigen Alterssicherungs- als auch die Absicherung der gesamten Bevölkerung in einem einzigen Kranken- und Pflegeversicherungssystem.

Klar ist, dass eine solche Strukturreform überhaupt nur mit sehr langen Übergangsfristen bewerkstelligt werden könnte. In ihren Empfehlungen zur Bundestagswahl lehnt die ULA eine so weitgehende Reform nicht nur für die kommende Legislaturperiode, sondern bis auf weiteres dennoch ab. Gut funktionierende Sicherungsalternativen wie die private Krankenversicherung oder die berufsständische Alterssicherung sollten nicht in ihrem Bestand gefährdet werden. Ihre Besonderheiten in der Finanzierung, zum Beispiel die Kapitaldeckung, schaffen eine zusätzliche Solidarität zwischen Generationen und erhöhen die Stabilität des Gesamtsystems.

Breiter Konsens über Europapolitik

Noch breiter als in einigen innenpolitischen Fragen ist der Konsens unter den Führungskräften über die künftige Europapolitik. Unter den möglichen Prioritäten einer künftigen Regierung erzielt die Antwortkategorie „den innenpolitischen Zusammenhang der EU fördern“ 90 Prozent Nennungen als „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Eine weitere „Koordinierung der Flüchtlingspolitik“ ist mit 87 Prozent ebenfalls eine Top-Priorität. Dass es dabei nicht um eine rein zahlenmäßige Begrenzung des Zuzugs geht, zeigen die Antworten auf die Beurteilung eines möglichen Zuwanderungsgesetzes für qualifizierte Fachkräfte: 72 Prozent würden einer solchen Maßnahmen zustimmen.

Bei einem weiteren innereuropäischen Konfliktthema wünschen sich Führungskräfte offenbar Dialogbereitschaft: 67 Prozent der Befragten, viele von ihnen in exportorientierten Unternehmen beschäftigt, sind darüber hinaus der Auffassung, die neue Regierung solle Antworten auf die weit verbreitete Kritik an hohen deutschen Exportüberschüssen finden.

Weitere Souveränitätsverzichte in der Wirtschafts- und Finanzpolitik werden hingegen geteilt beurteilt: So kann sich immerhin die Hälfte der Befragten eine „institutionelle Stärkung der Eurozone durch einen Eurofinanzminister“ vorstellen – als Basis einer möglichen künftigen Euro-Wirtschaftsregierung. 30 Prozent lehnen dies ab, 20 Prozent sind unentschieden. Die Schaffung eines eigenen „zusätzlichen Euro-Haushalts für mehr Investitionen im Euroraum“ unterstützen hingegen nur 42 Prozent. 24 Prozent sind unentschiedenen und 34 Prozent ablehnend.

Sonntagsfrage: Stabile Präferenz für bürgerlich-liberale Positionen

Wie auch schon vor früheren Bundestagswahlen wurde auch in dieser Umfrage die Parteipräferenz der Mitglieder abgefragt. Hier bestätigte sich das aus früheren Vorjahren bekannte Bild:  Die FDP liegt mit 35 Prozent sogar noch vor der CDU (33 Prozent). Der Zuspruch zur SPD liegt mit 16 Prozent unter und der für Bündnis 90/Die Grünen mit 9 Prozent leicht über dem Durchschnitt von für die Gesamtbevölkerung repräsentativen Umfragen. LINKE (3 Prozent), AfD (2 Prozent) und sonstige Parteien (1 Prozent) bleiben deutlich unter der Schwelle von 5 Prozent. Nur ein Prozent der Befragten gibt an, nicht zur Wahl gehen zu wollen.

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