Führung im Wandel: Interview mit Dr. Sylke Piéch und Roland Angst

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In den letzten Jahren hat das Thema „Künstliche Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt“ immer mehr an Bedeutung gewonnen. Insbesondere auf Führungskräfte werden neue Herausforderungen zukommen, die es zu bewältigen gilt. Die ULA hat unter dem Titel „Führung im Wandel“ im Oktober einen Business Talk mit Dr. Sylke Piéch vom Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz im Berliner Capital Club veranstaltet, um sich den Fragen zu widmen, welche Chancen mit dem Einsatz von KI-Systemen verbunden sind und was dies für Führungskräfte bedeutet.

ULA Nachrichten: Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz ist eine der führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Ist KI eher eine Gefahr oder Chance?

Piéch: Am DFKI setzen wir den vollen Fokus auf die Chancen, denn wir sind davon überzeugt, dass KI-Technologien bei der Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen maßgeblich unterstützen können. Gleichwohl haben wir auch die Risiken im Blick, um die Forschungsentwicklungen verantwortungsbewusst zu gestalten. Als das größte unabhängige Forschungszentrum für KI weltweit engagieren wir uns für eine verlässliche und vertrauenswürdige KI zum Wohle der Menschen.

Warum sollten sich Führungskräfte mit dem Thema KI und Digitalisierung intensiv beschäftigen?

Angst: Künstliche Intelligenz hat aus Sicht der Führungskräfteverbände das Potenzial, die Arbeitswelt in nahezu allen Bereichen zu verändern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat erst im September erklärt, dass die Arbeit nicht ausgehen, sondern sich verändern werde. Spätestens 2035 werde es keinen Arbeitsplatz mehr geben, der nichts mit KI-Anwendungen zu tun habe. Grundsätzlich kann KI die Arbeit der Führungskräfte unterstützen, es kommen aber neue Anforderungen auf Führungskräfte zu. Es wird erwartet, dass diese über immer tiefere Fachkenntnisse verfügen. Hier kann KI helfen, Zusammenhänge zu sehen und komplexe Sachverhalte zu analysieren oder aber auch an unterschiedliche Impulse zu bestimmten Themen zu gelangen. Ich empfehle daher allen Führungskräften, sich unbedingt mit den KI-Technologien zu beschäftigen und diese nicht zu ignorieren.

Mit welchen Erwartungen und Herausforderungen kommen Führungskräfte auf Sie zu?

Piéch: Der digitale Wandel ist mit tiefgreifenden Veränderungen in den Organisations- und Arbeitsprozessen verbunden. Insbesondere Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeitenden für die Arbeit mit den neuen Technologien zu gewinnen und sie in der Nutzung sozialer Medien, mobiler Systeme und KI-Werkzeuge zu unterstützen. Hochgradige Automatisierungsprozesse bringen zudem Änderungen in der Unternehmenskommunikation und der Gestaltung der Zusammenarbeit mit sich.

Die neuen Arbeitsformen erfordern ein verändertes Set an Schlüsselqualifikationen sowohl bei den Führungskräften als auch beim Team. Hierzu zählen zum Beispiel die Fähigkeit zur Kollaboration, zum planvollen Umgang mit Daten, zum Führen von Mensch-Maschine-Teams und das Agieren bei mehrdeutigen Situationen. Zudem wünschen sich viele Führungskräfte mehr Orientierung und Sicherheit in der immer komplexer werdenden Welt.

Wie verändert sich die Führung von Mitarbeitern durch den Einsatz von KI?

Angst: Die Auswirkungen von KI in der Arbeitswelt können dabei in den jeweiligen Branchen und Unternehmen unterschiedlich sein. Sorgfältige Planung, Vorbereitung und Anpassung sind erforderlich, um die Vorteile von KI zu nutzen.

Führung muss pluraler werden. Führung wird auf mehr Schultern zu verteilen sein, um das Wissen, die Kreativität und das außerordentliche Engagement der Mitarbeitenden umfänglich einbeziehen zu können. Führung muss mit den digitalen Möglichkeiten Schritt halten, ohne zu vergessen, dass lebendige Führungsbeziehungen, die Resonanzerlebnisse ermöglichen, unverzichtbar für eine gelingende Führung sind.

Auch wenn die Führungskräfte grundsätzlich positiv auf die Digitalisierung blicken, gibt es durchaus Aspekte, die sie kritisch sehen. So stimmen in unserer ULA-Umfrage 76,6 Prozent der befragten Führungskräfte der Aussage zu, ihre Arbeit würde sich immer mehr verdichten. Unternehmen, aber auch Politik sollten dieses Warnsignal durchaus ernst nehmen.

Welche Unterstützung bietet die ULA Ihren Mitgliedern zum Thema Digitalisierung an?

Angst: Über das Führungskräfte Institut FKI bieten wir in unserem Netzwerk – ergänzend zu den Fortbildungsangeboten der Unternehmen – Fortbildungen aus Arbeitnehmerhand an. Hier können Führungskräfte die Fragen stellen, die manchmal ungestellt bleiben. Zum Beispiel, was der Wandel der Arbeitswelt für die eigenen Führungsskills bedeutet. Daneben steht das Thema auch im Mittelpunkt der wichtigsten Jahresveranstaltung unseres Verbandes, dem Deutschen Führungskräftetag. Dieser findet das nächste Mal am 13. Juni 2024 in der Landesvertretung Hessen in Berlin statt. Unter dem Leitmotto „Führung mit Intelligenz“ werden wir an der Schnittstelle von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft über die richtigen Rahmenbedingungen diskutieren. Der ULA-Führungskräftetag ist die führende Plattform für den Dialog des mittleren Managements mit den politischen Entscheidungsträgern.

Was vermuten Sie: Wie wird unsere Arbeitswelt mit KI in zehn Jahren aussehen?

Piéch: Da die Zukunft der Arbeitswelt von einer Vielzahl an technologischen, gesellschaftlichen und politischen Faktoren beeinflusst wird, sind Vorhersagen mit Besonnenheit zu betrachten. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass in Zukunft die hybride Zusammenarbeit in der Mensch-Maschine-Kollaboration an Bedeutung gewinnen wird. Während der Mensch in die Zusammenarbeit zum Beispiel seine ganzheitliche Auffassungsgabe, Kreativität und komplexe Lösungsfindung einbringt, kann der Roboter den Menschen bei monotonen, repetitiven, schweren oder ergonomisch ungünstigen Aufgaben entlasten. Eine konstruktive Zusammenarbeit, auf der Basis einer Führungskultur der Wertschätzung, Achtung, Toleranz und Offenheit sind entscheidend, damit KI-Technologien erfolgreich ihren Einsatz in der Praxis finden.