VAA-Rechtstipp: Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit nur bei dringendem Anlass

,

Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nur dann anweisen, an einem Personalgespräch im Betrieb teilzunehmen, wenn dafür ein dringender betrieblicher Anlass vorliegt und die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers sowohl dringend erforderlich als auch zumutbar ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Ein nach einem Unfall längere Zeit arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer war von seinem Arbeitgeber schriftlich zu einem Personalgespräch in den Betrieb eingeladen worden, bei dem es um die zukünftigen Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers gehen sollte. Der Arbeitnehmer sagte das Gespräch unter Verweis auf seine Krankschreibung ab. Der Arbeitgeber lud ihn daraufhin erneut zu einem Personalgespräch in den Betrieb ein und forderte ihn auf, gesundheitliche Hinderungsgründe für sein Erscheinen gegebenenfalls durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Der Arbeitnehmer verwies erneut auf seine Arbeitsunfähigkeit und nahm auch diesen Termin nicht wahr. Dafür erteilte ihm der Arbeitgeber eine Abmahnung. Der Arbeitnehmer zog vor das Arbeitsgericht und verlangte die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte sowie die Feststellung, dass er nicht zur Teilnahme an Personalgesprächen während seiner ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit verpflichtet sei. Während das Arbeitsgericht beiden Anträgen des Arbeitnehmers entsprach, lehnte das Landesarbeitsgericht (LAG) in der Berufung die generelle Befreiung des Arbeitnehmers von der Pflicht zur Teilnahme an Personalgesprächen während der Arbeitsunfähigkeit ab.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte in der Revision die Entscheidung des LAG (Urteil vom 2. November 2016, Aktenzeichen: 10 AZR 596/15). Die BAG-Richter entschieden, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht in Bezug auf die leistungssichernden Neben- und Verhaltenspflichten aus § 241 BGB Absatz 1 BGB grundsätzlich auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausüben kann.

§ 241 BGB – Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Pflicht zur Rücksichtnahme auf Arbeitnehmer

Allerdings ist er dabei durch § 241 Absatz 2 BGB zur Rücksichtnahme auf den Arbeitnehmer verpflichtet und muss die Erteilung von Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe beschränken. So könne er etwa ein kurzes Personalgespräch führen, wenn der Arbeitnehmer über Informationen zu wichtigen betrieblichen Abläufe verfüge, ohne deren Weitergabe die Fortführung der Geschäfte erheblich erschwert würde. Auch dann ist der Arbeitgeber allerdings laut BAG nur berechtigt, das Erscheinen des erkrankten Arbeitnehmers im Betrieb anzuweisen, wenn ihm dies zuzumuten ist und seine persönliche Anwesenheit – beispielsweise aus technischen Gründen – dringend erforderlich ist. Es sind somit aus Sicht des BAG durchaus Konstellationen denkbar, in denen ein Arbeitnehmer auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zur Teilnahme an einem Personalgespräch verpflichtet sein kann.

Die Begründung des Arbeitgebers, mit dem Arbeitnehmer über seine künftigen Arbeitsaufgaben sprechen zu wollen, stellt für die BAG-Richter allerdings ohne Weiteres keinen dringenden betrieblichen Grund dar, der ein Personalgespräch während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt. Zudem habe der Arbeitgeber nicht dargelegt, warum dafür die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb erforderlich gewesen wäre. Die Abmahnung hatte somit keine rechtliche Grundlage und muss aus der Personalakte des Arbeitnehmers entfernt werden.

VAA-Praxistipp

Auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit darf ein Arbeitgeber grundsätzlich ein Personalgespräch mit einem Arbeitnehmer führen. Allerdings muss der Arbeitgeber dafür dringende betriebliche Gründe haben. Voraussetzung für ein persönliches Gespräch im Betrieb ist zudem, dass der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich in der Lage und seine Anwesenheit vor Ort unverzichtbar ist.

Quelle: Newsletter des VAA – Führungskräfte Chemie
Weitere Informationen: www.vaa.de