BVBC-Interview: Wie sieht der neue Arbeitsalltag in der Coronakrise aus?

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Anlässlich der anhaltenden Corona-Pandemie hat Maria Schmitz-Hardt, Auszubildende in der Bonner BVBC-Geschäftsstelle, bei Lars Wohlfarth und Sabine Germershaus vom BVBC-Landesverband Thüringen nachgefragt: Hat sich der Arbeitsalltag durch die Krise verändert oder birgt die neue Situation auch Chancen?

  • Lars Wohlfarth: ehrenamtlicher Vorsitzender des LV Thüringen, Angestellter im Prüfungsdienst
  • Sabine Germershaus: ehrenamtliches Mitglied des erweiterten Vorstands des LV Thüringen, zuständig für die Betreuung in Erfurt und selbstständig tätig

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Beeinflusst die aktuelle Situation Ihre Arbeit?

Wohlfarth: Derzeit besteht die Arbeit in der Hauptsache aus Homeoffice und der Abarbeitung von offenen Fragen, Schriftsätzen und Ähnlichem. Ab und an ist der Aufenthalt im eigentlichen Büro nötig, zum Abholen neuer Arbeitsaufträge etc. Dies geschieht jedoch unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften, das heißt dass sich lediglich ein Kollege pro Büroraum aufhalten darf.

Germershaus: Die aktuelle Situation beeinflusst meine berufliche und ehrenamtliche Tätigkeit nicht unerheblich. Als Selbstständige bin ich es gewöhnt, im eigenen Büro zu arbeiten, das erleichtert vieles. Die behördlichen Einschränkungen schränken jetzt allerdings den Kontakt zu anderen weitgehend auf digitale Kanäle ein, was die Arbeit erschwert. Gemeinsame Beratungen vor Ort oder Versammlungen sind nicht möglich, Präsenzseminare finden nicht mehr statt, Projekte wurden verschoben und Mitglieder- und Regionalversammlungen mussten ausgesetzt werden.

Haben Sie das Gefühl, Ihre Work-Life-Balance hat sich durch die teilweise verordnete Zwangspause verbessert?

Wohlfarth: Die Work-Life-Balance ist durchaus anders geworden, da im Homeoffice teilweise ein konzentrierteres Arbeiten möglich ist. Allerdings sind derzeit auch die Kinder zu Hause und müssen Schulaufgaben erledigen, so dass sich die Arbeit natürlich auch zum Teil auf die Abendstunden verschiebt. Meine Work-Life-Balance hat sich insbesondere dadurch verändert, dass das Arbeitspensum gleichgeblieben ist und Aufgaben in der Vermittlung von Lerninhalten für die Kinder dazukommen, so dass der Anteil an tatsächlicher Freizeit weitaus geringer ist. Zeit ist somit zunehmend zu einem wichtigeren Faktor geworden, den es gut einzuteilen gilt. Diesbezügliche Seminare wurden vom BVBC schon öfter angeboten und von mir auch besucht. Da kommen mir jetzt einige Inhalte wieder ins Gedächtnis, um effektiv durch den Tag zu kommen.

Wie empfinden Sie die Arbeit im Homeoffice? Fehlt Ihnen der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen?

Wohlfarth: Wie bereits geschildert ist zum Teil tatsächlich ein konzentrierteres Arbeiten möglich. Vorteilhaft ist das vor allem bei komplexen Themen, weil man in der Fachliteratur tiefgründiger recherchieren kann. Der Kontakt zu den Kollegen besteht derzeit lediglich in Form von Telefonaten und Ähnlichem. Kurze Wege zur ausführlichen Klärung von Problemstellungen, Besprechungen sind derzeit nicht möglich und das ist nicht immer zielführend.

Germershaus: Die Arbeitsabläufe haben sich geändert. Der persönliche Kontakt ist in bestimmten Fällen nicht oder nur schwer zu ersetzen. Manches lässt sich in einer gemeinsamen Besprechung vor Ort einfacher und schneller klären, als per Telefon- oder Videokonferenz. Ein gemeinsamer Rundgang über das Betriebsgelände oder auch eine gemeinsame Tasse Kaffee, bei der sich verschiedenes entspannt besprechen lässt, sind nicht ersetzbar. Und natürlich fehlt mir der persönliche Kontakt auch zwischenmenschlich.

Funktioniert denn zuhause technisch alles einwandfrei oder stehen Sie vor Herausforderungen? Und welche Erfahrung machen Sie in Sachen „Digitalisierung“ – lässt sich das meiste digitalisieren oder gibt es Einschränkungen?

Wohlfarth: Aufgrund technischer Systemumstellungen funktionieren die Prozesse auf digitaler Ebene derzeit leider noch nicht perfekt. Netzausbau und andere Unwägbarkeiten lassen grüßen. Alles ist sicher nicht digitalisierbar. Selbst IT-Spezialisten in unserer Region sind der Ansicht, dass Präsenztermine effektiver und wertvoller sind als ausschließlich virtuelle Umgebungen. Umgangssprachlich sagt man ja „Geschäfte werden am Stammtisch gemacht“. Da ist sicher etwas Wahres dran. Geschäftsessen als idealer Ort des Gedankenaustausches werden meiner Meinung nach auch in Zukunft wichtig bleiben. Darüber hinaus kann man auch neue Wege gehen. So könnte man je nach Arbeitsgebiet darüber nachdenken, zum Beispiel auch ein sogenanntes „Walking Office“ zu etablieren. Beim Gang durch die Natur und den dabei geführten Gesprächen kommen nach Ansicht von Arbeitspsychologen sehr kreative Prozesse in Gang. Für künstlerische Bereiche oder die Entwicklung von Marketingstrategien ist dies sicher sinnvoll – im Rechnungswesen wohl eher fraglich.

Germershaus: Schon vor der Coronakrise hat mir die Digitalisierung geholfen, Abläufe effizient zu gestalten (zum Beispiel elektronischer Datenaustausch, papierloses Büro, Telefonkonferenz), das erleichtert die jetzige Situation. Aber eine bisherige Erfahrung bestätigt sich auch in der aktuellen Situation: Vieles ist digitalisierbar, aber nicht alles.

Können Sie sich vorstellen, auch nach der Krise öfter oder regelmäßig im Homeoffice zu arbeiten?

Wohlfarth: Wenn die Technik richtig funktioniert, ist ein ausgewogener Mix aus Homeoffice und Präsenzzeiten durchaus sinnvoll. Homeoffice ist aber auf jeden Fall auch ein Vertrauensbeweis. Es erfordert besonders große Selbstdisziplin und Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. Ethische Merkmale werden daher zukünftig eine größere Rolle spielen als vor Covid 19.

Die Coronakrise bereitet vielen große Sorgen, manche versuchen in ihr allerdings auch Chancen zu erkennen. Wie sehen Sie das?

Germershaus: Die Krise wirkt wie ein Vergrößerungsglas und zeigt uns deutlich, wo unsere aktuellen Schwachstellen, aber auch unsere Entwicklungspotenziale liegen. So ist der Netzausbau in vielen Regionen Deutschlands als ungenügend zu betrachten, was zum Beispiel den Datenaustausch erheblich behindert. Auf der anderen Seite entwickeln viele Menschen kreative Ideen, die vielleicht ohne Corona noch ein paar Jahre gebraucht hätten. Unternehmen können ihre Arbeits- und Organisationsabläufe auf den Prüfstand stellen. Jetzt geht vieles, was vorher vermeintlich nicht ging. Weiterhin dürfen wir nicht vergessen, dass die aktuelle Krise viele Probleme nur überdeckt, die uns vorher bewegt haben und auch nach der Krise noch vorhanden sind. Eines dieser Probleme ist der Fachkräftemangel. Die Aus- und Weiterbildung ist erheblich behindert, manche Lehrgänge sind völlig zum Erliegen gekommen. Diejenigen unserer BVBC-Ausbildungsmitglieder, deren Kurse zur Vorbereitung auf die IHK-Prüfungen ausgesetzt wurden, machen sich große Sorgen, ob sie ihre Prüfungen im Herbst bestehen können. Hier sehe ich die Verpflichtung, uns im Rahmen des Verbandes gegenseitig zu unterstützen, und die Chance, unseren Zusammenhalt im Verband weiter zu stärken.

Sehen Sie in der Krise aktuell gegebenenfalls auch eine Chance, um Ihr Unternehmen oder Arbeitsabläufe anders aufzustellen bzw. zu digitalisieren?

Germershaus: Dass die Digitalisierung im beruflichen und privaten Umfeld weiter ausgebaut wird, war schon vor der Coronakrise zweifelsfrei. Es liegt jetzt bei uns, die Krise als Chance hierfür zu nutzen.