„Es gibt sie endlich, die Role Models.“ EAF-Geschäftsführerin Kathrin Mahler Walther zum Lesbian Visibility Day.

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Seit dem Jahr 2008 wird der Lesbian Visibility Day jedes Jahr weltweit am 26.4. begangen. An diesem Tag werden lesbische Frauen gefeiert, lesbische Kultur und Vielfalt gewürdigt, aber auch auf noch bestehende Ungleichheitsdimensionen und Diskriminierungsmechanismen aufmerksam gemacht.

 

Anlässlich des internationalen Lesbian Visibility Days sprechen wir heute mit der EAF-Geschäftsführerin Kathrin Mahler Walther.

Kathrin Mahler Walther ist Geschäftsführerin der EAF Berlin und berät Organisationen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zur Förderung von Vielfalt in Führung. Für ihr Engagement als DDR-Bürgerrechtlerin wurde sie 2019 durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Wir führen das Interview heute anlässlich des Lesbian Visibility Days, der seit 2008 jährlich am 26. April begangen wird. Der Tag soll auf die berufliche und private Situation von lesbischen Frauen aufmerksam machen. Was bedeutet dir persönlich der Tag?

Ich finde gut, dass er einen Anlass setzt, um lesbischen Frauen Sichtbarkeit zu geben. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich vor über 20 Jahren anfing, zu Frauen in Führung zu arbeiten. Damals habe ich mich in den Frauennetzwerken umgesehen und es gab keine prominente lesbische Frau. Ich fand das sehr, sehr schade. Ich hätte mir als junge Frau viel mehr Role Models gewünscht. Wenn der Tag dazu beitragen kann – wunderbar!

Du wurdest 2020 als Geschäftsführerin der EAF Berlin unter die 100 erfolgreichsten, geouteten Führungskräfte in Deutschland gewählt. Dein Beispiel zeigt, dass man auch offen lesbisch Karriere machen kann. Gab es je einen Moment in dem du dein Lesbischsein im Beruf bewusst verschwiegen hast?

Klar, auf jeden Fall. Als Beraterin und Trainerin begegne ich ständig neuen Menschen. Im Small Talk geht es dann oft auch um das persönliche Leben. Da überlege ich immer: Wie ist mein Gegenüber wohl drauf? Wie wird er/sie reagieren? Ich wäge immer ab, wie ich mich gerade fühle, ob ich in dem Moment die Kraft habe, mit einer möglichen Bandbreite von Reaktionen umzugehen oder eben nicht. Grundsätzlich bin fest davon überzeugt, dass es das Beste ist, überall selbstverständlich offen zu leben. Meistens mache ich das auch, das bin ich mir, unseren Kindern und all denen, die vor mir den Weg geebnet haben, schuldig. Und gerade in meinen Trainings habe ich immer wieder erlebt, dass Menschen hinterher zu mir kommen und mir für eben diese Selbstverständlichkeit danken. Das ist ein tolles Gefühl, Menschen Mut machen zu können.

Laut einer Studie der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld werden lesbische Frauen deren Bewerbung Hinweise auf ihre sexuelle Identität enthält, tendenziell benachteiligt. Wie schätzt du die Situation lesbischer Frauen heute auf dem Arbeitsmarkt ein?

Ich sehe heute viel mehr lesbische Frauen in der Arbeitswelt und es gibt sie endlich, die Role Models. Darüber freue ich mich immer wieder. Trotzdem ist Homosexualität nach wie vor stigmatisiert und löst bei vielen Menschen Unsicherheit aus. Wir wissen aus unserer Arbeit zu Unconscious Bias wie wirkmächtig diese Unsicherheit gegenüber dem „Anderen“, dem Unbekannten ist und dass sie eher zur Distanz führt. Daraus entsteht nur schwer Vertrauen. Doch das ist die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit. Auch deshalb brauchen wir Tage wie diesen, an dem lesbische Frauen sichtbar, nahbar und selbstverständlich werden.

Welche Tipps kannst du als Geschäftsführerin und Personalverantwortliche anderen Arbeitgeber*innen geben, damit in Unternehmen und Organisationen lesbische Frauen nicht diskriminiert werden?

Wir sollten grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass mein Gegenüber hetero ist. Sondern in unserer Ansprache offener formulieren, mehr Raum lassen. Nicht danach fragen: „Was macht Ihr Mann?“ Eher „Wie leben Sie?“ oder „Leben Sie in einer Partnerschaft?“. Grundsätzlich sollten wir anderen Menschen mit respektvollem Interesse begegnen. Niemanden überrennen mit neugierigen Fragen und auch nie voraussetzen, dass mein Gegenüber in eine bestimmte Box passt. Und natürlich, Kommunikation rund um Diversity-Themen ist wichtig, zeigt allen im Unternehmen, dass Vielfalt hier selbstverständlich gelebt und wertgeschätzt wird. Wichtig ist, Mitarbeiter*innen-Netzwerke zu stärken und Organisationen der LGBTIQ+-Community zu unterstützen. Prganisationen sollten auf Vielfalt in ihrer Bildsprache und in der Kommunikation achten, bis hin zu den Formularen. Gerade als lesbische Mutter ist es krass zu erleben, wie selten nach Eltern und wie häufig nach Mutter und Vater gefragt wird. Offenheit für Vielfalt ist etwas, was wir immer wieder üben müssen, wo wir uns immer wieder öffnen und einlassen müssen. Deshalb sollten Unternehmen stetig sensibilisieren und das Thema nie aus dem Blick lassen. Sie sollten mit verschiedenen Formaten einladen und dafür sorgen, dass viele Menschen merken: Diversity macht Spaß – mit Akzeptanz und Wertschätzung gewinnen wir alle mehr Freude, mehr Freiheit, wir selbst zu sein – und natürlich auch eine super Basis für eine richtig gute Zusammenarbeit.